Wie ich zum LARP kam...
Live-Rollenspiel ist zweifellos mehr, als es für den Außenstehenden
zu sein scheint, für mich ist es gar zu einer neuen Lebeneinstellung
geworden, denn es hat mein Leben seit meinem ersten Con 1993 dramatisch
verändert! Damals war ich fünfzehn und blätterte durch eine
damalige Computerzeitung 'ASM' und entdeckte dort einen kleinen Artikel
(wirklich ganz klein in eine Ecke gequetscht) in dem die Rede von Live-Rollenspiel
und Fantasy war. Ich hatte zunächst keinen Plan, was das ganze sein
sollte, doch die dabeistehende Telefonnummer verführte mich zu einem
folgenschweren Anruf...
Der nette Spieler am Telefon weckte eine unbeschreibliche
Neugierde in mir und ich meldete mich kurz darauf zu meinem ersten LARP
an - bisher hatte ich zwar öfters mal 'Das schwarze Auge' gespielt,
aber ich hatte keinen Schimmer, was mich im Schwarzwald im Sommer '93 erwarten
würde. ''Schnoggeloch II'' lautete der vielversprechende und zugleich
für mich völlig unverständliche Titel dieser ersten Veranstaltung
(mittlerweile weiß ich darüber bescheid).
Ich stand also da, keine Ahnung von nix und brauchte einen Charakter
und ein Kostüm, das mich nicht vor allen anderen völlig lächerlich
machen würde. Da ich des Schneiderns in keinster Weise mächtig
war (ich hatte nicht einmal eine Nähmaschine aus der Ferne gesehen),
entschied ich mich dafür, einen Ninja-Anzug aus einem Sportkatalog
zu bestellen, da ich im Kampfsport ein wenig Erfahrung vorweisen konnte
und ich mich in so einen Charakter vermutlich ganz gut einleben würde.
Dazu bastelte ich mir einen fast zwei Meter langen Kampfstab aus Bambus,
Rohrisolierung und Tape. So fieberte ich dem August entgegen und hoffte
auf ein außergewöhnliches Erlebnis, obwohl ich zugleich etwas
verängstigt war alleine dorthin zu gehen, weil ich damals noch so
ziemlich das schüchternste und zurückhaltenste Wesen meines Freundeskreises
war...
Endlich war die Zeit gekommen und ich wartete am Bahnhof im Schwarzwald
auf den Abholdienst der Veranstalter - unterdessen lernte ich bereits zwei
weitere LARP-Anfänger kennen, die elf Zugstunden für dieses Ereignis
auf sich genommen hatten. Nach einigem Warten und noch mehr Kilometern
gelangten wir mit einem ganz gewöhnlichen Auto am Con-Platz an und
quartierten uns ein - teils in Zelte, teils ins Haus, welches auch meine
Lagerstätte sein sollte. Kaum nachdem ich eine halbe Stunde dort war,
meine Habseligkeiten verstaut und anderer Leute, teils geniale, Kostüme
bewundert hatte, wurde ich von einem etwas beleibteren Recken in Ledermontur
angesprochen: ''Seid gegrüßt, mein Name ist Adrian... Wie werdet
Ihr genannt?'' Mir stockte einen Augenblick lang der Atem, ich mußte
leise Lachen und mir fiel wieder ein, das die Sache mit dem Charakter noch
nicht so ganz zu meiner Zufriedenheit geklärt gewesen war. Zwar hatte
ich über verschiedene Namen nachgedacht, doch keiner wollte mir so
recht gefallen - das war noch einige Stunden vorher im Zug gewesen. Nun
mußte ich mich schnell entscheiden und ich wählte ''Moon''.
Dieser Name prägte meinen Charakter und wurde zugleich mein zweites
ich. In meinem würzburger Freundeskreis werde ich noch immer so genannt, auch wenn Moon schon seit vielen Jahren Tristan gewichen ist - meinem jetzigen Stammcharakter.
Ich lernte auf diesem Con bereits am ersten Tag gut und gerne fünfzehn
Leute kennen und fühlte mich sehr schnell ins Spiel ein, obgleich
ich mich nicht alles traute, was mit abverlangt wurde, ganz einfach aus
Gründen der Peinlichkeit. Mit meinem massiven ''Schüchternheitsproblem''
hatte ich einige Zeit zu kämpfen... Nach Einbruch der ersten Nacht
begab sich die ganze Spielergemeinschaft auf den Weg zur nahen Burgruine
'Burg Geroldseck'. Ich hatte mich mit einem Krieger zusammengetan und entschlossen,
die wenigen Frauen zu beschützen, für den Fall, es sollte etwas
geschehen. Unterwegs bekam ich plötzlich von der Spielleitung einen
Brief in die Hand gedrückt, mit den Worten ''es erst bei der Burg
auszuspielen''. Ich hatte den Auftrag erhalten plötzlich und ohne
Grund auszurasten und gegen alles sich Bewegende loszuschlagen, sobald
wir die Burg errreichen sollten - zwischendurch sollte ich jedoch auch
immer wieder plötzlich einschlafen...
Nun, ich war damals so unsicher, daß ich es nicht wagte, diese Spielerinfo auszuspielen, weil ich
die Burgmauern nicht erblickte - ich hatte Angst, ich würde damit
etwas falsch machen und irgendwer würde sauer auf mich sein. Tatsächlich
war die Burg nur noch wenige Meter von uns entfernt gewesen, ich hatte
sie aber trotzdem nicht gesehen. Um mich herum brach auf einmal Chaos aus
- es hatten noch weitere Spieler Briefe erhalten und die spielten sie jetzt
aus. Spätestens hier hätte ich eigentlich auch verstehen sollen,
daß es auch für mich an der Zeit ist... Schwamm drüber!
Abgesehen davon muß ich sagen, daß die Spielleitung niemanden
zur Schnecke macht, weil er etwas falsch oder gar nicht ausspielt (außer
bei Kämpfen, aber dafür sorgen die Spieler untereinander); jeder
spielt für sich selbst, die SL gibt quasi nur ab und zu ein paar Infos
oder Aufträge aus - selber spielen ist der wahre Kern des LARP! Jedes
LARP bringt Längen mit sich, die durch selbständiges Spiel überbrückt
werden müssen, wobei das keine Qual, sondern das Spiel ist! Falls
von der SL her Flaute herrscht, mache selber was los, so zeigst Du auch,
daß Du ein guter Spieler bist; andere sitzen vielleicht nur rum und
maulen, daß gar nichts passiert.
Zurück zum Con: Ich habe auf dem ''Schnoggeloch II'' einige der
schönsten Momente meines Lebens erlebt und sehr viele neue
Freunde gefunden, von denen ich noch zu neunzig Prozent regelmäßig
Kontakt habe, auch wenn sie über ganz Deutschland verstreut sind!
An dieser Stelle einen ganz lieben Gruß an alle Würzburger,
Stuttgarter, Berliner, Darmstädter, Frankfurter, Münchner und wo sie alle herkommen... LARPs knüpfen
phantastische Freundschaften mit phantastischen Menschen...
Ich habe auch auf diesem Con meine damalige Freundin kennengelernt, die ich sonst wohl
nie getroffen hätte, danke an die Veranstalter! Ich könnte von
diesem und anderen Cons noch eine Menge erzählen, doch werde ich dies
nicht hier, sondern an anderer Stelle tun, wenn ich meine LARP-Bericht
und -erzählseiten erstellen werde. Das Live-Rollenspiel hat mich seitdem
sehr positiv verändert, machmal auch zum Leidwesen meiner Mitspieler,
denn ich kann einfach die Klappe nicht halten! Von Schüchternheit
ist gottlob keine Spur mehr zu finden, ich habe gelernt aus mir rauszugehen
und zu tun, was ich möchte, ganz egal, was andere dabei über
mich denken! Das ist es nämlich, womit vermutlich viele Anfänger
Probleme haben, das ''sich gehenlassen''. Hierzu kann ich nur sagen, zwinge
Dich zu nichts, es kommt alles von allein. Die ganze Atmosphäre eines
LARPs verändert Dich und Deine Gefühle manchmal dramatisch und
Du lernst vieles, was Dir sonst verwehrt gewesen bliebe, dazu. LARP ist
eine Lebenserfahrung und für mich auch eine Lebenseinstellung geworden.
Ein Leben ohne mein Hobby könnte ich mir mittlerweile nicht mehr vorstellen,
denn meine Welt ist die der Fantasy und keine andere, deshalb möchte
ich sie richtig erleben können!
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